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Stuhlkreise, Schiller und Semesterschmaus

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Stuhlkreise, Schiller und Semesterschmaus

Von Pia Kindermann, Studierende

Wir sitzen in einer neuen Runde. Und natürlich sitzen wir jedes Mal, ja idealerweise zu jedem neuen Sitzen in der Runde, in einer neuen Runde. Doch diese Runde ist nicht nur der Neuheit ihrer eigenen Glieder wegen neu, die nach einer achtwöchigen Sommerpause wieder zusammenkommen, sondern erneuert sich durch das Hinzutreten anderer Neuheiten. Neue Menschen, nicht nur weil wir, wie immer, Andere sind, sondern weil noch ganz andere hier, und bald auch wir, sind.
Kurz: Der dritte Jahrgang, der mit uns Philosophie und Gesellschaftsgestaltung studiert, ist nicht mehr nur angedacht oder erwartet, sondern ist: Menschen auf Stühlen, in Gedanken und Gesprächen und unserer Runde.
Noch kürzer: Der dritte Jahrgang ist da! Da meint hier, hier für den Semesterstart und die Vollversammlung, hier in Sonnerden, hier als Teile unseres Studiengangs.
Es ist jetzt diese neue Runde, die sich versammelt, um in das neue Semester zu starten. Die Konkretion der nächsten Semester gestaltet sich hier aus dieser neuen Gruppe heraus, die in ihrer neuen Konstellation ohenhin konkret, mithin in Form einer stillen Diskussion inhaltliche Vorblicke auf die Module des Sommersemesters formuliert. Innerhalb der Jahrgänge schauen wir auch auf die anstehenden Seminare des Wintersemesters. Studierende und Dozierende gestalten die Inhalte des Studiums zusammen, und zwar nicht nur im Seminar selbst, sondern schon in der Organisation.
Beim abendlichen Abspülen werde ich gefragt, was der inhaltliche Vorgeschmack des Tages in mir ausgelöst hat. Leiblich gesättigt, dank unseres höchst charmanten Kochteams, stelle ich fest, dass ich Hunger habe; Hunger auf die anstehenden Seminare. „Hunger! Wahrscheinlich sogar auf mehr, als ich überhaupt verdauen kann.”
Am liebsten möchte ich in der „Bin dabei” Spalte des Seminarplans eine durchgängige Kette von Kreuzen eintragen. Ich weiß aber, dass ein auch noch so nährstoffreiches Seminar gut verdaut sein möchte, um wirklich nahrhaft zu sein. Die Herausforderung liegt angesichts des Vorgeschmacks nicht darin, genügend Appetit aufzubringen, sondern in der bewussten Eingrenzung der zu besuchenden Seminare, um den tatsächlich besuchten gerecht zu werden. Wie Selbstbeherrschung, ja Verbindlichkeit, entgegen der Konnotation von Befangenheit, tatsächlich befreiend sein kann, diskutieren wir in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Dritten der Ästhetischen Briefe Schillers.
So ist mein Hunger auf sämtliche Seminare vielleicht ein Naturtrieb, der den Besuch jedes einzelnen antizipiert, und von welchem ich mich, durch meinen vernünftigen Entschluss ausgewählte Seminare zu besuchen, befreie.
Freiheit eben nicht als Aufhebung jeder Notwendigkeit zu verwechseln mit Willkür, sondern wie Schiller zu verstehen, als Ersetzen der physischen durch eine moralische Notwendigkeit, schafft Bezug zu meinem persönlichen Bildungsbestreben, samt konkretem Kreuzchen-Setzen für das Wintersemester, aber auch zur Idee der Initiative, die, bestehend aus einer neuen Runde, Raum schaffen möchte für die Einzelnen, die diese Runde bilden, jenes Ersetzen selbst zu vollziehen.
Vollversammlung und Semesterstart sind Appetizer nicht nur auf Seminarinhalte, sondern auf das Studium, das sich gestaltet durch die Menschen unserer neuen Runde und durch die Untrennbarkeit von inhaltlichen Impulsen, sozialem Erleben und Bildungsidealen.