Über Erinnern und Vergessen

Bild mit Fluss und Wüste

Bildung neu denken

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Bild mit Fluss und Wüste

Über Erinnern und Vergessen

Ein Beitrag von Johannes Streicher

Ein trockenes Flussbett, in der großen Wüste Sein, fernab des Fluss, der Ich bin. Nicht verschüttet, nicht unzugänglich, nur verlassen. Fließe ich dort hin, erwacht die Umgebung rasch zum Leben. Blumen sprießen, Tiere weiden. Und fließe ich wieder davon, trocknet der Ort ein. Dort, wo ich lange nicht war, versengt die Sonne alle Keime und Samen, bis zu dem Tag, an dem der Fluss in aller Fülle dorthin strömen kann, und nichts zum Leben erwacht. Und dann ist es, als wäre ich nie dort gewesen.

Doch, eines Tages könnte ein Vogel vorüber fliegen. Und vielleicht verliert er dabei ein Korn. Und wenn ich nur oft genug meinen Fluss dort entlang lenke, dann blüht das Korn auf und mehrt sich, bis eine ganze Oase dort entsteht.

Und so lohnt es sich, durch Erinnerung zu schweifen, ob nun auffindbar oder nicht, Und Vögel rufen und Pflanzen sammeln, sodass nie, nie, nie, deine Wüste über dich siegt.

Auf dem Weg zu neuen Horizonten

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Auf dem Weg zu neuen Horizonten

Freude, Trauer, Angst und Glück. Die Gefühle sind überbordend, sprudeln und sie kann sich kaum halten. Manchmal möchte sie schreien. Doch etwas hält sie zurück. Sie passt sich an, versucht nicht aufzufallen. Eigentlich möchte sie einfach nur „normal“ sein. Was auch immer das sein mag. Wer sagt denn eigentlich, dass die von der Gesellschaft bezeichneten „Sonderfälle“ nicht die eigentlich „Menschlichen“ unter uns sind? Spannend, einzigartig bist du doch, wenn du anders bist. Neu.
Angepasst? Nein. Sie will kein bequemes Leben. Veränderung trägt sie. Glühen. Anstrengungen, an Grenzen stoßen.


Das ist Leben! Aufregend, Hochgefühl, das Himmelschweben, im Strom der Inspiration baden. Als sie so aus dem Fenster starrt, sinnierend, steigen ihr mit einem Male Tränen in die Augen. Sie hat Angst.
Angst davor, irgendwann zurückschauen zu müssen und zu sehen: ich hatte ein normales, bequemes Leben. Ohne Veränderung. Angepasst. Wird es irgendwann darauf hinauslaufen? Enden alle Träume auf diese Art und Weise?
Was ist meine Aufgabe?
Wo musst du ansetzen?

Losgehen, den Weg finden. Nach dem Unmöglichen fragend das Mögliche erkennen. Die Grenzen ausdehnen, den Konventionen so richtig einfeuern.

 

Es ist eine lange, schwere Suche. Voll Tod und dem intensivsten aller Leben. Eine Grenzgängerin, die Unsicherheit ist ihre Heimat. Freiheit bedeutet für sie, auf sich selbst gestellt Entscheidungen treffen zu können. Holprig ist der Pfad, noch wenige Menschen sind ihn gegangen, und dies ist schon lange her. Spitze Dornen zerkratzen auf dem Weg ihre nackten Waden, sie watet durch Flüsse, springt über eine tiefe Schlucht, wo in der Tiefe ein Bergbach tost. Sie steigt bis zu den Wolken, will dort einen Weg finden, wo noch kein Mensch vor ihr gewesen ist. Langsam wird es dunkel, im hellen Mondlicht sieht sie nur schemenhaft die nächsten Stufen aus Stein, die sie ihrem Ziele näherbringen. Als die Müdigkeit sich über ihre Augen legt, lässt sie sich ins Heidekraut sinken und betrachtet versonnen die glimmenden Sterne. Sie denkt an lang verflossene Zeiten, als die Menschen noch in den Sternen die Götter sahen. Die kosmische Schönheit als Ideal der Bildung ansahen, im Bewusstsein ganz in ihrem Umkreis, in der Natur. Ewig, ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgend, zogen die Götter ihre Kreise am samtblauen Himmelsgrund. Zu ihnen aufschauend fanden die Seelen auf Erden ihren Weg, die Bestimmung dieses Lebens. Doch dieser Zugang ist ihr verbaut. Meistens weiß sie gar nicht, ob sie überhaupt an Götter glauben sollte. Wäre das irreführend, lähmend? Würde sie damit ihre Freiheit ein Stück mehr aufgeben müssen? Oder würde sie andere Ziele verfolgen?

Es ist kalt geworden in dieser späten Mondnacht. Still schaut sie an den Himmel, das Willensfeuer wärmt ihre Brust. Die Erde schweigt.

 

Als die Vögel mit lautem Gesang den Morgen begrüßen erwacht sie mit schmerzenden Gliedern. Fröstelnd streckt sie sich im Licht der ersten Sonnenstrahlen, die sanft ihre zimtfarbene Haut streifen. Der Weg ist lang und sie möchte weiter. Langsam, Schritt für Schritt wandert sie durch das hellviolette Heidekraut. Streift mit den Fingern sanft und liebevoll die schmalen Nadeln der Pinie und atmet frische Morgenluft. So geht sie weiter, die Flamme im Herzen und findet ihren ganz eigenen Weg durch eine von Verwirrungen durchzogene Welt.

Unser Bildungssystem – Teil einer gesellschaftlichen Einbahnstraße?

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Unser Bildungssystem - Teil einer gesellschaftlichen Einbahnstraße?

Im Artikel „Klimafreundliche Bildung“ plädiert Ben Engelhard für die Thematisierung der Klimakrise in unseren Schulen. Doch reicht das für eine zukunftsfähige Bildung? Ich behaupte: Nein!

Unser Bildungssystem ist inkompatibel

Viele Schüler*innen befinden sich im Moment im Abistress, welcher als notwendig hingenommen wird, um ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft zu sein. Denn dieses Zeugnis bestimmt -zumindest im Unikontext- unsere Zukunft. Doch viele halten dem Leistungsdruck nicht stand. Sie brechen die Schule oder das Studium ab. Das System von Konkurrenz um die besseren Noten, von erzwungener Konformität und Lernbulimie bleibt aber weiter bestehen. Oft unhinterfragt. Im Gespräch mit einer Schülerin zeigte sich, dass sie die Schuld für das scheinbare „Versagen“ in der Schule bei sich selbst suchte. „Ich habe wohl einfach nicht genug Disziplin, um mich mit den anderen messen zu können“.
Ich finde es erschreckend, dass wir in der Schule darauf trainiert werden, in Konkurrenz zueinander zu stehen, dass wir unseren Selbstwert daran festmachen, wieviel wir in Prüfungen an Inhalten ausspucken, um diese im nächsten Moment wieder zu vergessen. Wie bei einer solch diktatorischen Bildung mündige, demokratiefähige Bürger*innen erzogen werden sollen bleibt mir ein Rätsel.

Warum andere Inhalte allein nicht reichen

Im Moment lernen wir in der Schule, uns dem Willen des Lehrers zu fügen. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, so erinnere ich mich an endlos scheinende Unterrichtsstunden, in denen ich mich in der letzten Reihe versteckte, um nicht aufgerufen zu werden. Dennoch kann ich sagen, dass ich mit meiner Schulzeit Glück hatte. Ich besuchte eine Waldorfschule, wo ich sehr viel Freiraum bekam, meine kreativen Fähigkeiten zu entfalten. Wir hatten verhältnismäßig wenig Prüfungen, welche nicht benotet wurden. So wurde ich erst mit dem Abitur mit Noten konfrontiert. In den Klausuren galt es, Inhalte auszuspucken. Ich lernte Antworten auf Fragen, die ich selbst nicht gestellt hatte.
In Zeiten des Internet werden wir ständig bombadiert mit Informationen. Und davon bekommen wir in der Schule noch mehr. Der Historiker Dr. Yuval N. Harari prangert diesen Zustand in seinem Buch „21. Lektionen für das 21. Jahrhundert“ an und empfiehlt stattdessen: „Wir brauchen die Fähigkeit, mit dieser Informationsflut umzugehen, zu unterscheiden zwischen den wichtig und unwichtig […]“. Zudem wissen wir nicht, was im 21. Jahrhundert wirklich relevant ist an Informationen. Denn: Die Welt verändert sich rasant und wir stehen nicht nur vor der Klimakrise, sondern die Digitalisierung und die atomare Bedrohung stellen uns vor ungeahnte Herausforderungen. In einer solchen Zeit ist es in meinen Augen nicht sinnvoll, an unserem alten, verkrusteten Bildungssystem festzuhalten. Denn dieses basiert auf Konformität, passivem Bildungskonsum und Konkurrenz.

Was wir stattdessen brauchen

In einer sich transformierenden Welt braucht es selbstständige Menschen, die diesen Transformationsprozess gestalten können. Dabei sind Eigenschaften wie Kreativität, Selbstvertrauen und Kooperation gefragt. Doch wie können wir das lernen? Es ist elementar zu berücksichtigen, dass wir alle individuelle Lernbedürfnisse haben. So ist es ein wichtiger erster Schritt herauszufinden, wie du eigentlich lernen möchtest und was dich begeistert. Denn eigentlich lernen wir Menschen unser ganzes Leben, wobei sich lernen eben nicht auf auswendig gelernte, schnell vergessene Informationen beschränkt. Lernen heißt eigentlich Fähigkeitenbildung, Persönlichkeitsbildung und Selbstermächtigung. Diese Erfahrungen bleiben uns im aktuellen Bildungssystem verwehrt, da wir weder entscheiden wie wir lernen noch was. Mal ganz abgesehen vom Warum.
Da ich im Moment mit anderen jungen Menschen einen selbstbestimmten Studiengang aufbaue und mich so sehr mit diesem Thema verbunden fühle möchte ich gerne einige Worte zu unserem Bildungsprojekt erzählen.

Ich beschäftige mich im Moment viel mit „alternativer Bildung“ (Schade, dass wir das überhaupt noch brauchen). In einem Studiengang mit dem Titel „Philosophie und Gesellschaftgestaltung“ beschäftigen wir uns selbstbestimmt mit den Themen, die wir als im Moment wirklich relevant erachten. Das geschieht unter Anderem in Form eines Modulplans, den wir als Student*innen selbst gestalten.
Wir lernen im praktischen Aufbau unseres Vereins, wie wir zusammenarbeiten können und wollen. In den Philosophie-Modulen bearbeiten wir grundlegende Fragen des Menschseins und des Anthropozän. Eines der kommenden Seminare heißt zum Beispiel „Grundprobleme der Gegenwart“. Dafür haben wir eine Dozentin aus dem Konzeptwerk neue Ökonomie eingeladen, mit der wir über neue Formen des Wirtschaftens sprechen.
Zudem erarbeiten wir Bildungsformate, mit denen wir die selbstbestimmte Bildung bewegter gestalten können.
In der Zeit zwischen den Blockseminare arbeiten wir an individuellen Projekten. Hier kann ich in der Praxis lernen, was es heißt, Initiative zu ergreifen, Verantwortung zu übernehmen und mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten.

Also eine selbstbestimmte Bildung?

Eine der wichtigsten Feststellungen bleibt: Wir lernen alle auf eine völlig individuelle Art und Weise. Der Auftrag an unsere Lehrer*innen sollte also sein: Lernräume ermöglichen. Denn dafür sind wir in der Schule oder in anderen Bildungseinrichtungen. Auch wollen alle Menschen, Schüler*innen wir Lehrende auf Augenhöhe behandelt werden und ein Mitspracherecht in der Gestaltung der Lernräume haben. Denn wie sollen wir uns als demokratiefähige Menschen entwickeln, wenn wir in einer Bildungsdiktatur erzogen werden? In einer Zusammenarbeit innerhalb des Bildungskontextes sollten wir lernen, eigene Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam an einem Thema zu arbeiten. Denn: Notenkonkurrenzkampf, Bildungsdiktatur und Lernbulimie sind sowas von 20. Jahrhundert!

Dr. Yuval Noah Harari: 21. Lesosns for the 21st Century. London, 2018.

Fragendes Leben

Fragendes Leben

Gedicht

Ein Pfad am entstehen
Mit jedem Schritt geht es voran.
Innerlich brennende Fragen,
An der Zeit ist es, sie zu stellen.

Doch wer wird antworten?
Was wird die Antwort sein?

Fragendes Leben, mit lebenden Fragen
Nach der Zeit, nach dem Ungeborenen
Was durch uns Menschen
Zur Welt kommen will.

Wer wird es bringen?
Wer wird fragen, um Antworten ringen?

Fragend leben
Ist in Unsicherheit schweben
Denn ein Nein ist immer möglich
Wenn du zu früh bist
Die Zeit noch nicht reif ist.

Der Pfad ist schwer zu sehen
Noch kein Mensch ging ihn je.
Doch Licht kommt nun ins Dunkel
Und zeigt uns eine neue Welt.
Anders und neuartig.

Tiefer, Schritt für Schritt
Gehen wir.
Erkennen den nächsten Trittstein
Erst kurz bevor wir darauf stehen.

Wir gehen weiter, Stück für Stück
Dem Fragen würdiger
Das sanft ummantelt
Die noch verschwommenen Gestalten
Einer unbekannten Gedankensphäre,
Welche noch nie so hinterfragt
Durchlöchert, umgegraben,
die noch nie so neu und bewegt erschien.